Prolog
Die Frühsommermorgen in Dachwig hatten die Angewohnheit, sich in die
leuchtenden Farben der Verheißung reichhaltiger Ernten auf den Feldern und
vor allem in den weitläufigen Obstplantagen zu kleiden. Nachdem wir tags
zuvor mit unseren Zeugnissen mehr oder weniger beglückt worden waren,
erlaubte ich mir noch zeitigeres Aufstehen als gewöhnlich, um mein Glück
am Stausee bei der Huldigung der Petrijüngerei zu versuchen. Beladen mit
allerlei Gerät, Ködern und Utensilien zum Transport der Beute an Mutters
Herd schloss, ich mein Fahrrad schiebend, leise unser Hoftor, behängte mich
mit dem ganzen Kram und wollte losradeln, als Bianca die eigene Hoftür
öffnete und ihr Fahrrad haltend fragte: "Nimmst du mich mit?"
Bianca war damals ein Mädchen, das in meiner Schulklasse lernte, ihr leuchtend
fuchsrotes Haar entgegen aller Modetrends zu zwei langen Zöpfen flocht und an
den Stellen bereits trefflich gerundet war, die uns pubertierenden Knaben, der
süßen Verheißung solch praller Weiblichkeit wegen, die Zunge auf den Asphalt
fallen ließ, und selbst der Jugend entwöhnter Männer immer noch ein
genießerisches Zungeschnalzen entlockte. Und sie war eine Sportskanone. Sie
konnte damals bereits schneller rennen als die Hasen auf den Äckern rings um
Dachwig. Vielleicht war es deshalb noch keinem Knaben aus dem Dorf gelungen,
sie einzufangen und flach zu legen.
"Ja klar", sagte ich, nicht wissend, was ich mit ihr während der
meist langweiligen Jagd auf die Bewohner des Stausees anfangen sollte. Jeden,
der mir das Folgende prophezeit hätte, hätte ich sofort an den zuständigen
Psychiater verwiesen. Allerdings war mir auch klar, dass die Knaben in meiner
Klasse allein für dieses vertraute Beisammensein mit Bianca, geschweige denn
die folgenden Übungen und potentiellen Höchstleistungen, ihre Eltern, ohne mit
der Wimper zu zucken, an blutrünstige Häscher verpfiffen hätten. Wir kamen
natürlich nicht zum Angeln, sondern lagen blickgeschützt ineinander
verschlungen im Uferried. Für mich, der ich bisher nach dem Motto
pubertierender Knaben gelebt hatte: So lange ich zwei gesunde Hände habe,
kommt mir keine Frau ins Haus! war es erstaunlich zu erlernen, zu was man
diese Dinger, neben anderen Körperteilen natürlich, noch benutzen konnte.
Neben Hausaufgaben abschreiben, Papa beim Handwerkern helfen und den Lenker
am Fahrrad halten, ließen sich damit auch Mädchen lustvolle Geräusche oder
gar Schreie entlocken. Auf den Gedanken, dass meine Mutter bei meiner Wiederkehr
ohne Fisch dumme Fragen stellen könnte, kam ich wegen chronischer Unterversorgung
meines Gehirns mit Sauerstoff nicht. Mein Blut versorgte andere Körperteile und
mein Geist war auf die feinen, schimmernden Härchen auf Biancas Rücken oder die
süßen, harten Nippel auf ihrer Brust fixiert. Und dem Ergötzen an der Lust, die
ein Mädchen, das sich voll hingab, entwickelte und zu entfachen in der Lage war.
Irgendwann fragte ich Dummerchen auf dem Rücken liegend und verkniffen in die
Sonne starrend dann doch. "Warum ausgerechnet ich?"
"Kerle", stöhnte sie. "Die müssen immer blöde Fragen stellen.
Warum? Warum nicht?" Dann beugte sie sich über mich. "Weil dich der
ganze Scheiß nicht zu interessieren scheint."
"Aha. Äh, welcher Scheiß?"
"Na der eben", fauchte sie und fasste in meinen Schritt, wo sich
sofort ein interessiertes Körperteil aufrichtete. "Die ganzen Trottel hier
im Dorf würden mir doch die Schuhe putzen, wenn sie dafür in mein Top schauen
dürften. (Das wäre in diesem Moment Quatsch gewesen, weil es inhaltslos an einem
Schilfblatt baumelte.) Und bei dir wollte ich eben wissen, ob du wirklich so
cool bist, dass es hinter dir schneit."
"Und? Bin ich das?"
"Nee", lachte sie, setzte sich auf mich und ließ mein fast berstendes
Glied langsam in sich hinein gleiten. Oh Gott, wie schön hast du die Welt
erschaffen.
Die traute Zweisamkeit zwischen Bianca und mir blieb dem Dorfklatsch natürlich
nicht verborgen. Ein Junge und ein Mädchen im geschlechtsreifen Alter, die
gemeinsam zum Angeln radelten oder vorgaben von dort zu kommen, regten eben die
dreckige Phantasie der Bauern an. Hatte meine Mutter die anglerischen
Misserfolge anfangs noch mit der Bemerkung: "Sie beißen wohl schlecht!"
und einem Kopfnicken zu Kenntnis genommen, überraschte sie mich Mitte der Ferien
mit der Ermahnung, ja keine Dummheiten mit Bianca zu machen. Hätte ich ihr nun
erklären wollen, dass ich statt des Fressverhaltens der Karpfen im Dachwiger
Stausee am lebenden Modell die Besonderheiten der weiblichen Anatomie studierte,
kurz, bis über beide Ohren verknallt war und mir die Eichel wund vögelte,
befürchtete ich verschärften Stubenarrest als Strafe. Aber Mütter wissen so etwas
einfach oder verfügen über ein telepathisches Organ, mit dem sie die Gedanken
ihrer Söhne ausspionieren können. Jedenfalls erläuterte sie mir anschließend
umständlich den Gebrauch und die Vorteile von Kondomen. Das waren die Dinger,
die Bianca nach dem Sex immer in den leeren Getränkekartons versteckte und in
der nachbarlichen Wertstofftonne entsorgte.
Ich ließ es über mich ergehen.
Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres ließ Bianca dann die Bombe platzen. Sie
würde die Schule verlassen und auf ein Sportgymnasium wechseln, dort Bedingungen
vorfinden, die sie ganz bestimmt zu einer überragenden Läuferin heranreifen
lassen würden. Das Angebot sei einfach nicht abzulehnen. Nun interessierte mich
das nicht wirklich, wo sie sich gerade im Evaskostüm neben mir räkelte und mein
einziger Gedanke sich darum drehte, ob sie meine Hand neckisch weg schlagen oder
sie an die Stellen führen würde, die ihre Lust anfachen mochten. Männer - und für
einen solchen hielt ich mich damals bereits - sind so leicht abzulenken.
Sie schob meine Hand jedoch weg. Ernste Gespräche waren angesagt, das Versprechen
wurde gegeben, in den Ferien heim zu kommen. Meine Bedenken verhallten ungehört.
Es ging um ihr Leben und die Ferien waren vorbei. Schließlich begann das neue
Schuljahr und mir blieb ein süßer kleiner, selbst gebastelter Umschlag mit einer
fuchsroten Haarsträhne, den ich fortan bei mir trug. Bianca kam nie wieder nach
Dachwig.
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